Sopranistin Christina Schmid und das Familien-Streichquintett „beatlestrings“ imponieren den Besuchern der restlos gefüllten Stadtkirche mit einem Walzer, inspiriert von den Gedanken eines Witwers, dessen Frau sich eben diesen gewünscht hätte. Fotos: RÖHR
Deutscher Hospiztag mit „Letzte Liebeslieder“ in der Stadtkirche.
Rund 700 Besucher und weitere 100 Wartende zeigen große Resonanz.
Montagabend drehte sich anlässlich des Deutschen Hospiztags mit „Letzte Liebeslieder“ alles um Sterbende und ihre Angehörigen im Hospiz – und die Musik ihres Lebens. Das bereits 2019 sehr erfolgreiche Format kehrte in die Stadtkirche zurück und übertraf alle Erwartungen: Die Kirche war innerhalb weniger Minuten mit über 700 Besucherinnen und Besuchern gefüllt. Die Ordnungskräfte mussten rund 100 enttäuschte Wartende abweisen. In seiner Begrüßungsrede sagte Martin Gengenbach, Geschäftsführer der Hospiz-Einrichtung in der Nordstadt, dass Sterben kein Tabu-Thema sein solle und man die Beschäftigung mit dem Tod in die Gesellschaft tragen müsse.
Der Abend in der professionell ausgeleuchteten Stadtkirche bot den Zuhörern in der Inszenierung von Autor Stefan Weiller viele berührende Momente und Anlass zur Selbstreflexion. Geschichten wurden erzählt, die manchmal auch zum Schmunzeln oder Lachen anregten. Christoph Maria Herbst, Birgitta Assheuer und Andreas Grötzinger lasen Gedanken von einzelnen Menschen, Paaren, Angehörigen und Familien vor, die völlig unterschiedlich mit der Vorbereitung auf den unausweichlichen Tod umgehen und demnach eine große Bandbreite unserer Gesellschaft widerspiegelten. Jeweils passend zu jeder Geschichte wurden die (Liebes)lieder der Sterbenden vorgestellt. Es gab nahezu keine Musikrichtung, die ausgelassen wurde. Der musikalische Geschmack ist ebenso individuell wie der Tod der einzelnen selbst und der Umgang mit der Trauer der Hinterbliebenen. Neben dem hauseigenen großen Motettenchor der Stadtkirche waren eine exzellente Coverband, die imposante Kirchenorgel und ein Kammermusikensemble zu hören. Viele der Musikstücke wurden tänzerisch von der Tanzgruppe La Boom aus Ispringen begleitet. Das Tanzensemble trat zum türkischen Popsong mit Bauchtanz ebenso professionell auf wie beim Tanzen zu einem Wiener Walzer oder als Bühnengirls bei Helene Fischers „Atemlos“.
Die Qualität der Livemusik ließ keinerlei Wünsche offen und war in jeder Hinsicht von höchster Qualität: Egal ob es sich um einen christlichen Choral, Wiener Operettenklänge, Britpop oder Deutschen Schlager handelte. Die Musikauswahl zu den berührenden, teils komischen Storys von jungen und alten, reichen und armen, schwulen und ausländischen Sterbenden war immer perfekt in der Darbietung und von unnachahmlichem Glanz. Teils so intensiv, dass man hier und da auch mal eine Träne wegdrücken musste. Es war ausdrücklich gewünscht, dass das Publikum interagierte, mitsang und schunkelte. Bei einem italienischen Song wurde der Refrain selbstverständlich mitgesungen, bei Marianne Rosenbergs „Er gehört zu mir“ mitgeklatscht. „Lippen schweigen, ‘s flüstern Geigen“ aus Lehars „Lustiger Witwe“ ließ das Publikum innerlich im Wiener Walzer drehen. Die begeisterten Besucher griffen dann auch gerne in die Tasche: Knapp 13 500 Euro an Spenden brachte der Abend für das Hospiz.
Zum Abschluss des langen Abends verließ der Motettenchor langsam das abgedunkelte Gotteshaus mit einem gesungenen und gesummten „Halleluja“ im Kerzenschimmer. Diese bewegende und in seiner einfachen Schönheit erschütternde musikalische Darbietung war so intensiv, dass man bei den vielen Hundert Zuschauern in der minutenlangen Stille eine Nadel hätte herunterfallen hören.
Lesen Sie hierzu die Berichterstattung in der Pforzheimer Zeitung (PDF).