Aufgabe von Palliativeinrichtungen ist es, todkranke Menschen beim Sterben zu begleiten. Das Christliche Hospiz Pforzheim lehnt Sterbehilfe ab.
Foto: Swen Pförtner/dpa – fürs Layout erweitert und bearbeitet von Druck+Medien Pforzheim
Das Christliche Hospiz Pforzheim hat ein neues Eckpunktepapier erarbeitet. Grund ist das aufgehobene Verbot für den assistierten Suizid.
Wenn es um das Sterben geht, wird es schnell grundsätzlich. So auch beim Thema Sterbehilfe, die sich stark von der Sterbebegleitung unterscheidet, wie Martin Gengenbach, Geschäftsführer des Christlichen Hospiz in Pforzheim, betont. In der Einrichtung, die todkranke Menschen auf ihrem letzten Weg begleitet, gibt es keine Beihilfe zum Suizid und auch keine Vermittlung an entsprechende Stellen. Das hat sein Team in Workshops jetzt in einem Eckpunktepapier festgehalten.
Hintergrund ist die aktuelle Gesetzeslage. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2020 steht der assistierter Suizid nicht mehr unter Strafe. Das heißt: Ein Arzt oder ein Vertreter eines Sterbehilfevereins darf einem Todkranken ein tödliches Medikament zur Verfügung stellen. Dieser nimmt das Medikament dann selbst ein.
„Gut“ Sterben statt „schnell“
Der assistierte Suizid soll in die Palliativarbeit keinen Einzug erhalten, wenn es nach Gengenbach und dem Christlichen Hospiz Pforzheim geht. Im Eckpunktepapier heißt es: „Der Fokus liegt auf dem ‚gut Sterben‘ und nicht auf dem ‚schnellen Sterben‘. Und: „Die Beihilfe zum Suizid ist mit unserem Selbstverständnis und unseren ethischen Leitlinien unvereinbar.“
Das bedeutet laut Gengenbach nicht, dass man grundsätzlich gegen den assistierten Suizid sei, denn „es steht jedem Menschen selbst frei, das zu entscheiden“. Aber in der Einrichtung sei das nicht umzusetzen. 98 Prozent der „Gäste“, wie die Menschen der Einrichtung genannt werden, würden sich einen natürlichen Tod wünschen. Diese sollen sich gut aufgehoben fühlen, so Gengenbach. „Auch denen kommt aber mal eine Äußerung über die Lippen wie: ‚Ich kann nicht mehr‘. Sie sollen nicht in der Angst leben müssen, eine Suizidassistenz angeboten und bereitgestellt zu bekommen.“ Das gelte auch für die Angehörigen, die ihre Liebsten in guten Händen wissen wollten. Manche Menschen würden gerade in den ersten Tagen im Hospiz häufiger Suizidgedanken aussprechen. „Oft ist es aber kein ‚Ich will nicht mehr Leben‘, sondern ein ‚Ich will so nicht mehr leben‘ – dann gilt es für uns herauszufinden, was dieses ‚so‘ ist.“
Es gehe um viele Symptome wie beispielsweise Schmerzen, Atemnot, Übelkeit, die die Menschen im Sterben begleiten, so Gengenbach. „Das sind Dinge, die können unsere Ärzte und Pflegefachkräfte meist gut behandeln und deutlich reduzieren.“ Oft erleben seine Mitarbeiter, dass die Suizidwünsche nach einiger Zeit nachlassen.
Und wenn das nicht so ist? „Dann sagen wir: Wir erkennen Ihren Wunsch, aber dann ist das hier nicht der richtige Platz für Sie.“ – oder wie es im Eckpunktepapier heißt: „Bei ausdrücklich bestehendem Wunsch nach assistiertem Suizid bleibt die Entlassung des Gastes aus dem Hospiz als einzige Option.“
Neben den Schmerzen sei die Einsamkeit ein großer Faktor, warum Menschen den Lebensmut verlieren. „Wenn keine Familie oder Freunde mehr zu Besuch kommen. Wenn die Menschen glauben: Um mich wird niemand weinen, wenn ich weg bin“, sagt Gengenbach. Er selbst ist im christlichen Glauben verankert. Deshalb komme für ihn persönlich – Stand jetzt – ein assistierter Suizid nicht in Frage. „Aber wer weiß, vielleicht komme ich irgendwann in eine Situation, in der ich das anders sehe.“ Deshalb respektiere er die Entscheidung eines jeden, der sich dafür entscheide.
Wer suizidale Gedanken hat, sollte auf gar keinen Fall damit alleine bleiben. Auch in ausweglosen Situationen gibt es Hilfe für Betroffene. Sollten Ihre Gedanken darum kreisen, sich das Leben zu nehmen, sprechen Sie unbedingt mit jemandem darüber. Hilfe erhalten Sie telefonisch unter (0800)1110111 (Telefonseelsorge), der „Nummer gegen Kummer“ unter 116111 sowie im Notfall bei der Polizei (110) oder den Rettungsdiensten (112). Die Gesellschaft für Suizidprävention führt eine Übersicht der Angebote auf ihrer Webseite www.suizidprophylaxe.de. Für Kinder und Jugendliche halten der Arbeitskreis Leben Tübingen (www.akl-krisenberatung.de/ youth-life-line) und der Arbeitskreis Leben Freiburg (www.u25-freiburg.de) spezielle Formate bereit. Trauernde Eltern, deren Kinder gestorben sind, können Hilfe bei der Sterneninsel finden.
Bericht von Constantin Hegel | Pforzheimer Zeitung