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Unter Anleitung von Silke Bentner (rechts) übt Gertrud Schüle mit „Bosse“ einige Kommandos. Fotos: Meyer

Seit September kommt der Terrier einmal die Woche zu Besuch.

Das freut nicht nur die Gäste, sondern auch Angehörige und Personal.

„Bosse“ ist scharf auf Käse. Und wie. Dennoch harrt der Cairn-Terrier regungslos aus, während auf jeder seiner Pfoten ein Würfelchen liegt – so lange, bis ihm Silke Bentner ein Signal gibt. Gemeinsam haben die beiden vor vier Jahren eine Ausbildung abgeschlossen, um tiergestützte Arbeit anbieten zu können. Seit September kommen sie dienstags ins Christliche Hospiz. Das freut nicht nur die sterbenskranken Gäste und ihre Angehörigen, sondern bringt auch Abwechslung in den Alltag der Mitarbeiter.

Spielerisch aktiv

An diesem Nachmittag ist es die Angehörige Gertrud Schüle, die der kleine Therapiehund im Wintergarten hinter dem Haus ein wenig aufmuntert. „Ich komme ja an keinem Hund vorbei“, gesteht die 81-Jährige. Nach Bentners Anleitung spielt sie mit dem sechsjährigen Vierbeiner. Als der die am Boden verteilten Korken auf ihr Kommando hin einsammelt, schlägt sich die Seniorin verzückt auf die Schenkel. Sie lacht. Es macht ihr sichtlich Freude, mit dem Tier zu spielen. „Bosse“ erschnüffelt den Käse in einer Kiste, holt ihn sich von den Knien der Seniorin oder bringt ihr ein geworfenes Beutelchen zurück. „Er folgt mir ja“, stellt Schüle zufrieden fest. Als sie sich auf den Weg zurück ins Zimmer ihres Mannes macht, strahlen ihre Augen. „Das hat mir jetzt auch gut getan“, sagt sie zu Bentner.

Besuch auf den Zimmern

Dieses Strahlen der Menschen mache alles wett, wird die Ehrenamtliche später im PZ-Gespräch sagen. Sie finde ja, jeder sollte ein Ehrenamt ausüben. Für „Bosse“ ist der Einsatz im Hospiz indes deutlich anstrengender als früher auf den Stationen einer Klinik. Nach Abstimmung mit dem Pflegepersonal besucht der Terrier die Gäste in ihren Zimmern, kommt sogar zu ihnen aufs Bett. „Bosse“ ist dabei äußerst sensibel: „Er merkt sofort, wenn jemand im Sterben liegt“, erzählt Bentner. Dann ziehe er sich zurück.

Wenn es ihm mal zu viel wird, setzt er sich ans Fußende. Auch Gähnen oder Kratzen sind für Bentner Anzeichen, dass die Situation den Vierbeiner überfordert. All das hat sie in einem Dreivierteljahr Ausbildung gelernt. Überhaupt spielt „Bosse“ lieber, als zu kuscheln. Eine Faustregel: „Es sollten nie mehr als vier Hände am Hund sein“, so die 57-Jährige. Auch sonst gilt es, manches zu beachten. So darf „Bosse“ natürlich nichts vom Boden fressen, es könnten ja Tabletten sein. Er muss auch öfter zum Tierarzt als andere Hunde. Seine Krallen dürfen nicht zu lang sein. Bei Patienten, die Blutverdünner einnehmen, trägt er Söckchen, um sie nicht zu verletzen.

Und „Bosse“ aktiviert die Menschen im Hospiz nicht nur zum Spielen, er ist auch Türöffner für Gespräche. Das freut die Palliativfachkraft Petra Koglin-Cassutti. Sie sieht den Besuch auf vier Pfoten als große Bereicherung für das gesamte Haus. „,Bosse‘ gibt den Gästen Erinnerungen zurück“, beobachtet sie. Manche hätten früher selbst einen Hund gehabt. Und sie fühlten sich in ihrer Situation wichtig genommen, auch weil „Bosse“ unvoreingenommen auf sie zukomme. Er vermittle Geborgenheit. Auch bei jenen, die sonst keine Nähe zulassen. „Bei ,Bosse‘ ist das anders, weil er keine Erwartungen stellt“, erzählt Koglin-Cassutti. Damit ließen sich für das Team Brücken bauen. Denn auch bei ihnen gelte es, keine Erwartungen zu erfüllen.

Gäste öffnen sich

Auch die Angst könne der Therapiehund den Gästen nehmen. So erlebe sie bei dessen Besuchen viel Fröhlichkeit. „Die Gäste werden gesprächiger, sie öffnen sich und erzählen auf einmal viel mehr“, freut sich die Fachkraft.

Während Koglin-Cassutti das erzählt, beendet „Bosse“ für diesen Nachmittag seinen Einsatz. Um dies zu verdeutlichen, nimmt Bentner ihm sein orangefarbenes Halstuch ab. Und dann wartet seine Belohnung: ein ausgiebiger Spaziergang.

Lesen Sie hierzu die Berichterstattung in der Pforzheimer Zeitung (PDF).

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