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von Claudius Erb und Robin Daniel Frommer
 
Pforzheim. Der kanadische Bluesmusiker Marty Hall hatte am Samstag im ausverkauften Studio des Kulturhauses Osterfelds einen gefeierten Auftritt hingelegt. Tags darauf ließ er in völlig anderem Rahmen aufhorchen: bei einem Hauskonzert im Christichen Hospiz.
 
Vor rund drei Jahren sei über eine Mitarbeiterin des Hospizes der Kontakt zu Hall entstanden, berichtet Geschäftsführer Martin Gengenbach. Am Sonntagnachmittag hätten an Halls zweitem Gastspiel zeitweise bis zu 28 Zuhörerinnen und Zuhörer teilgenommen. Darunter seien dieses Mal vier todkranke Gäste mit deren Angehörigen gewesen, außerdem Besucher aus dem Kreis der Mitarbeitenden und der ambulanten Hospizdienste. Die hausinterne Videoübertragung in die Gastzimmer habe daher gar nicht in Anspruch genommen werden müssen. Bei Titeln wie „Green, Green Gras Of Home“ von Johnny Cash oder „The Night, They Drove Old Dixie Down“ sei „ein deutliches Mitsummen“ des Publikums zu hören gewesen. „Und bei den beschwingteren Titeln wippten viele mit den Füßen oder dem Kopf im Takt mit“, freut sich Gengenbach: „Der Beifall am Ende der gut einstündigen Performance brachte die Begeisterung ebenso zum Ausdruck, wie die volle Spendendose.“ Konzerten sollen weiter regelmäßig den Alltag im Hospiz bereichern. Dass Hall nicht nur eine Szenegröße, sondern auch ein Sympathieträger ist, war im Osterfeld offenbar geworden. Seine Gitarrenklänge hatten dort die Zuhörer sofort in ihren Bann gezogen.
 

Die eigentliche Überraschung bei ihm aber ist seine sanft angeraute Gesangsstimme, die eine breite Palette glaubhafter Emotionen auszudrücken vermag. Zu seiner Interpretation von Tom Pettys Klassiker „I Won’t Back Down“ lieferte Hall die sächselnde Anmoderation „I geb’ net uff“. Dies klingt wie das beharrliche Credo seiner von einem schweren Autounfall unterbrochenen Karriere (die PZ berichtete). Bei der getragenen, seiner Mutter gewidmeten Eigenkomposition „Precious Love“ ließ er das Saalpublikum wissen, dass er „Noten weder lesen noch schreiben“ könne. Den 1935 von Big Joe Williams geschrieben Blues-Standard „Baby Please Don’t Go“ gestaltete Hall mit geradezu hypnotisierendem Gitarrenspiel zu einem rasanten Uptempo. „Hide Away“ von Freddie King (1960) ließ er mit Willie Dixons rhythmischem Song „29 Ways“ (1956) verschmelzen. Das Publikum honorierte auch diesen Mix mit kraftvollem Beifall. Nach der Pause folgen aufs schwungvolle „Take Me In Your Arms“ einige Informationen zum Lahrer Kontrabassisten Tobias Kopf. Hall war vor 35 Jahren nach Europa gelangt. „Eigentlich war Katmandu mein Reiseziel“, erzählte er humorvoll, aber daraus wurde nichts. Er kam nach Lahr, wo sein Bruder zu dieser Zeit bei den kanadischen Streitkräften diente, fand dort Arbeit und traf auf den Jazz- und Kammermusiker Tobias Kopf. Genau dieser begleitete ihn im Osterfeld bei mehreren Songs und brillierte bei „Trouble In Mind“ mit einem Solo. „Green, Green Grass Of Home“, das am Sonntag im Hospiz so gut ankam, hatte auch am Samstag im Osterfeld den meisten Beifall eingeheimst.

Marty Hall im Hospiz Pforzheim-Enzkreis
Außergewöhnliche Einlage im Hospiz: Der kanadische Bluesmusiker Marty Hall singt und spielt gut eine Stunde lang für die Gäste. 
Foto von Martin Gengenbach